linksdeutsch, antideutsch, rechtspopulismus

am vergangenen samstag lud eine offensichtlich reichlich irrelevante und schlecht gelayoutete „online zeitung“ zu einem „teach-in„, einer belehrung quasi, derer, die es hören wollten. was den geneigten gästen dieses „tribunals“ (wie es die „jungle world“ als „veranstaltungstip der woche“ ironisch ankündigte) davon hängenblieb, ist unklar. denn die veranstaltung fand kein thema.
das war bereits vorab offensichtlich, als sie den u.a. bei facebook angekündigten – recht selbstentlarvenden (wenn „antideutsch“ rechts ist, was ist dann links?) – titel „antideutscher rechtspopulismus?“ umformulierte zu „rechtspopulismus und die linke“.
auch dieser titel klang an sich viel versprechend, hätte man nämlich die manchmal so genannte partei gemeint, hätte man doch etwa über die auslassungen bzgl. sogenannter „fremdarbeiter„, die des deutschen arbeitsplatz bedrohen ((http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,497814-3,00.html)), durch „linkspartei“-ex-parteivorsitzenden und asylrechtabschaffers ((http://jungle-world.com/artikel/2008/27/22121.html)) oskar lafontaine sprechen können. oder über die „schicksalsgemeinschaft„, für die lafontaine deutschland hält ((http://www.sueddeutsche.de/politik/oskar-lafontaine-ein-hai-kein-haider-1.801593)). von wahlplakaten, die von „heimat“ sprechen, die „freundlich gäste empfängt„, die dann bald wieder gehen mögen.

der abend selbst aber jedenfalls zeigte, daß es in der tat um „antideutsche“ ging. eine als abwertung (obgleich wortwörtlich doch linkskonstitutive haltung) gemeinte worthülse, um deren definition anhand realer linker strömungen keinem auf dem podium gelegen war. trennklausel zwischen hie und da ist letztlich die haltung gegenüber des antiimperialismus. deswegen die angefasstheit. deswegen die verstimmung über das inhaltlich begründbare ausscheren, das abfallen vom dogma, die emanzipation von linken glaubensvorschriften, bezeichnet als „ein kulturrassistisches Aussteigerprogramm für angebliche Ideologiekritiker_innen„, wie es süß selbstmitleidig im ankündigungstext ((http://www.trend.infopartisan.net/trd1211/t011211.html)) heißt.
auf dem podium definiert als „kritik, kritik, kritik“ (zitat gerhard hanloser). also quasi der altlinke vorwurf bzw. die linke dauerrealität der „spaltung, spaltung, spaltung“. nicht nur für „wer stets verneint“ oft ein nachvollziehbares bedürfnis wider der zwangsvergemeinschaftung.
schwierig dann die argumentation. als vermeintliches zentralorgan der „antideutschen“ wurde die „bahamas“ bemüht. und im wesentlichen wurden eine handvoll texte daraus aus den letzten 10 jahren als hinweise genommen, auf was auch immer. abgearbeitet wurde sich gerne an texten bestimmter einzelpersonen, als da u.a. waren: sören pünjer, justus wertmüller, thomas maul (das cover seines buches sei „stürmer„-like) vielleicht noch stephan grigat. ansonsten bezeichnete man viele als „antideutsche“, die sich selbst bestimmt nicht so bezeichnen würden oder sich auch nie so bezeichnet haben: etwa matthias küntzel oder der mittlerweile auf „junge welt“-niveau nationalbolschewistische jürgen elsässer.

wie geil manche das diffuse an dem aus dem nazivokabular entlehnten begriff finden, war u.a. auch einer der bislang wenigen artikeln über die veranstaltung zu entnehmen. er behauptete unsinn und wurde (ausnahmsweise) zurecht bei „indymedia“ versteckt (screenshot).

reden wir über den „inhalt“:

den „antideutschen“ wurde bereits in der einführung durch den „trend„-teacher „kriegsbefürwortung und denunziation der friedensbewegung“ vorgeworfen. hanloser unterstellte später beleidigt eine angebliche „verächtlichungmachung des antikapitalismus„.
unterstellt wurde durch den eigentlichen moderator georg klauda („lysis„) allerhand, das im anschluss auf die monologe nicht unbeantwortet blieb: etwa daß „antideutsche“ „rassistische bedrohungsszenarien“ ausmalten, die jeglicher realität entbehrten. daß gar eine „homogenisierung von volk und kultur“ stattfinde.
das gegenteil ist für alle einigermaßen damit belesene offensichtlich: der unerhörte vorwurf der „antideutschen“ gegen den linken „antirassismus“ war ja (und das galt als skandalös), daß es niemandem diene, kultur als statische eigenschaft, kulturtraditionalismus als spezifisches einer aus bereits borniert gedachter gemeinschaft anerkennen zu müssen, daß es viel mehr darum geht, keine inseln kultureller stereotypen zu erschaffen, die nicht kritisiert, die wie bei einer exotischen art von flora und fauna wie in einem menschlichen zoo erhalten gehören. es geht um die freiheit des einzelnen menschen, die in welchen zwangsvergemeinschaftschaftungen auch immer aufgewachsen sind, das recht auf individualität zuzubilligen und diese zur not gegen eine homogenität zu verteidigen.
islamkritik zum beispiel, diese unverschämtheit, die nicht nur von klauda als „kulturrassismus“ bewusst fehlinterpretiert wird, ist eine kritik an ideologie. zum teil auch (zurecht) an religion, zu allererst aber an dem zwang zur determinierung und unterwerfung. ja, das ist ideologiekritik. und diese ist manchmal wesentlich effektiver als oberflächlicher „antirassismus“, der immer nur die distanzierung von dummen, externen ressentiments meint.

aber geschenkt.
die viel krasseren momente des abends waren jene, an denen antisemitismus verharmlost, umdefiniert oder in einem zirkelschluss gedacht wurde.

gerhard hanloser behauptete in seinem referat, die antideutsche linke habe die „offizielle staatsreligion deutschlands“ übernommen, antisemitismus werde „als thema schlechthin“ behandelt. dass die abwehr des antisemitismus als jahrhundertealte geißel und älteste und erfolgreichste verschwörungstheorie ever „staatsreligion“ sei, ist mir unbekannt. vermutlich meinte er „staatsräson„. und selbst das ist unsinn, wenn man die inhaltslose außenpolitik besagten staates näher betrachtet.
auschwitz sei „instrumentalisierte vergangenheit„, „pump einer leidensgeschichte“ – selbst dazu ließ sich der „linke“ „sozialwissenschaftler“ hanloser hinreißen, was einblicke in seinen bücherschrank offenbart. er sei öfters in israel gewesen und träfe dort koriphäen wie moshe zuckermann („‚antisemit!‘ ein vorwurf als herrschaftsinstrument„). alles klar.
auch den vorwurf des philosemitismus ließ er nicht aus. als würden nicht antiimps mit chavez, ahmadinedschad, „palästinensischem widerstand“ wie der pflp und hamas ebenso zu libidinösen identifikationen neigen. nur in diesem fall eben mit vernichtungsfreudigen regimen, die explizit praktisch veranlagten antisemitismus selber darstellen.
das „antideutsche“ sei „prokapitalistische affirmation„. denn wer „occupy“ kritisiert, kann kein antikapitalist sein. daß der zionismus kommunistisch gedacht war: egal.
mit den israelfähnchen würden sich die „antideutschen“ „an den herrschenden anlehnen„.

bernard schmid bezeichnete dann ebenbürtig israelsolidariät als „persilschein“. er belegte, daß abgeordnete diverser europäischer rechtspopulistischer parteien neben dem irak oder iran auch mal israel besuchten. dass das weniger mit kritik an linksradikalen „antideutschen“ zu tun hat als mit schmid’s aktuellem buch war so offensichtlich wie ermüdend.
nebenbei flochtete er mal wertmüller ein, den „fürst der finsternis„. während sören pünjer nur ein „monsieur würstchen“ sei. aha.
ähnlich wie hanloser resümierte er über „antideutsche“, sie ritten auf dem „projektionsticket„, sie hätten eine „assoziationskette lanciert„.

und dann: ein antisemitisches referat in reinform, verklau(da)suliert als zirkelschluss:
attila steinberger (ex-krisis) definierte antisemitismus im wesentlichen durch das klischee des geldeintreibenden juden. er sah natürlich die historischen zusammenhänge (verbot von eigenem land, von mitgliedschaft in zünften / handwerk, jahrhundertelange diskriminierung, christlicher antijudaismus etc.). nur machte er das unglaublich dürftige, antisemitismus auf zinskritik zu reduzieren, was der logik eines dorfnazis gleichkommt.
sein vortrag war darauf konzentriert, daß arabische kreditunternehmen durchaus zinsen nehmen und dortige banken profitorientiert wirtschaften. alles sei „ganz normal, wie bei uns„. er wollte sogar zitaten der „muslim-bruderschaft“ unterstellen, die hätten eher „neoliberale“ als „sozialistische“ vorstellungen. im iran gäbe es kürzungen im sozialen bereich.
ergo: wo zins ist, wo profitstreben ist, wo sogenannte „neoliberale“ politik herrscht, gäbe es keinen antisemitismus. ergo quasi ein paradies für juden (iran, saudi-arabien, abu dabhi).
der vortrag von attila steinberger war bestenfalls unglaublicher blödsinn, ansonsten wohl eher in sich selbst ein antisemitischer zirkelschluss.

überbieten konnte das schmid dennoch noch im anschluss. nicht nur nebenschauplätze, wie der antideutsche standardspruch „bomber harris, do it again!„, sei bullshit, weil es ja auch „zivile opfer“ gegeben hätte. den begriff „antisemitismus“ hält er eh für europazentriert. so was habe es nicht im nahen osten gegeben vor der staatsgründung israels. widersprechen mussten ihm erst stimmen aus dem publikum, die auf die nachhaltige wirksamkeit der angeblichen „protokolle der weisen von zion“ oder auf die judenvernichtung und die vertreibung aus jerusalem durch das „osmanische reich“, die kriegserklärung aller andersreligiöser staaten der region (also aller) 12 stunden nach dem uno-beschluss pro israel hinwiesen.

alles in allem eine sehr dürftige nummer.
den israelfreundlichen antideutschen wurde eine neurose unterstellt, dabei wäre die psychoanalyse mit dem archaischen weltbild des antiimperialismus sicherlich wesentlich strenger verfahren.
ein abend über die querfrontlerischen umtriebe der „antiimps“ ist derweil nicht denkbar, weil ein abend nicht reichen würde (eklige meinungsübereinstimmungen zwischen nazis und linken antiimps in ganz grundlegenden dingen, siehe die prophezeiung des ultra-querfrontlers horst mahler: „wir haben den gemeinsamen feind„, sind regel, nicht ausnahme).
die linke muss nicht „ihre flanken schließen“ gegen linke die „kritik an der vorgeblichen ‚volksnähe‘“ ((aus der veranstaltungsankündigung)) definieren.
traditionalismus ist anti-antideutsch. teilnehmer der veranstaltung waren teilweise stolz darauf. nur links im sinne möglicher progression ist das nicht.

mehr:

critiqueaujourdhui
diffusesspektakel.blogsport.eu
verteilter flyer der „emanzipativen und antifaschistischen gruppe“ (eag) (text, scan)

p.s.:

ich habe 2 1/2 h audio-aufzeichnung. zwar in schlechter qualität, aber ich kann alle zitate akkustisch beweisen. ((mit entsprechender software, als hörbarer audiodownload eignet es sich leider nicht))


related:
  • ich bin antideutsch, holt mich hier raus!
  • „sexist racist scum“
  • die definitionsmacht ist unjüdisch
  • shalom libertad
  • verschwörungsideologie blockieren!

  • 20 Dez 2011, 1:51
    by flugblatt


    comment:

    das flugblatt der EAG ist auch als text auf http://critiqueaujourdhui.blogsport.de/2011/12/19/berlin-berlin-anti-anti-anti-anti-antideutsch-ii/ zu finden. dieser blog ist übrigens deswegen gerade von planet x-berg gekickt worden, wie es aussieht. sind die nerdigen israelhasser noch mehr unter sich und von anderen meinungen oder gar kritik ungestört…

    20 Dez 2011, 2:18
    by dissi


    comment:

    ja das ist eklig. ich schreibe dem verfasser gerade eine mail. asyl würde ich gerne gewähren.

    20 Dez 2011, 8:37
    by Rüdiger2


    comment:

    „verklau(da)suliert“

    You saved my day! 🙂

    20 Dez 2011, 10:07
    by god0t


    comment:

    ich war auch da und will den mitschnitt haben! kannst dus megauploaden? oder so? gut gemacht!

    20 Dez 2011, 10:23
    by dissi


    comment:

    ich muss das wirklich erst noch „aufbereiten“. ist bislang viel zu leise (das diktaphone lag auf dem fußboden).

    20 Dez 2011, 11:20
    by god0t


    comment:

    alles klar, kannst du mir dann ne mail schicken mit einem link? wäre dir sehr verbunden.
    PS: bernhard schmid muss eigentlich bernard schmid heißen.. kleiner aber feiner unterschied denke ich

    20 Dez 2011, 11:24
    by dissi


    comment:

    da hast du recht.
    wegen dem mitschnitt: kann leider dauern. aber ich schicke dir einen link.

    20 Dez 2011, 12:08
    by god0t


    comment:

    merci beaucoup

    20 Dez 2011, 12:35
    by reflexion


    comment:

    Danke für den Bericht. Den Link hätte ich auch gerne!

    20 Dez 2011, 12:53
    by Krawall


    comment:

    Sehr interessanter und gut geschriebener Artikel. Bedankt. An einer Veröffentlichung des Audio-Mitschnittes wäre ich auch sehr interessiert.

    20 Dez 2011, 13:07
    by yourenlightenment


    comment:

    Schmid hat zudem die Lüge wiederholt, wonach die Bahamas Le Pen als durch und durch vernünftigen Kritiker der Islamisierung begreife.

    Das Argumentationsniveau war den ganzen Abend derartig niedrig.

    20 Dez 2011, 16:34
    by dissi


    comment:

    hier ist der mitschnitt:
    http://www.mediafire.com/?440lajya1ddxd25

    insgesamt gibt es sehr viel geraschel, zweimal wird ne bierflasche in der nähe des mikrofons geöffnet und so weiter.
    die tonqualität ist insgesamt sehr mies.

    man verpasse aber nicht hanlosers hasstiraden ab ca. 02:30:00

    20 Dez 2011, 21:14
    by cory


    comment:

    es war wirklich ein gruselkabinett…

    20 Dez 2011, 21:28
    by ARAB Berlin


    comment:

    Kullmann, wir kriegen Dich!

    21 Dez 2011, 14:28
    by Tschüsch


    comment:

    Arab Berlin halt die Backen still, Alter!

    21 Dez 2011, 14:52
    by dissi


    comment:

    war eh nur ein fake.

    27 Jan 2012, 13:17
    by dissi


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