die definitionsmacht ist unjüdisch

der mehringhof in kreuzberg. ein idyll linker selbstverwirklichung. eine seit jahrzehnten traditionsreiche adresse. bis ca. 2000 waren die dortigen räumlichkeiten der „schule für erwachsene“ (sfe) auch das zuhause der redaktion bahamas, bis ihr hochoffiziell vom linken kollektiv hausverbot erteilt wurde.
hintergrund dürften damals neben dem allgemein abweichend „antideutschen“ kurs der zeitschrift vor allem die aufgehitzten debatten um „definitionsrecht„, „vergewaltigungsbegriff“ und den linkskollektivistischen umgang mit dem unerwünschten, kritischen aufruf zur selbstreflektion gewesen sein. ((siehe dazu den skandalisierten bahamas-artikel „infantile inquisition“, das flugblatt der gruppe „les madeleines“ und den erfahrungsbericht von einer bahamas-veranstaltung im mehringhof))

laut ihrer selbstdarstellung treffen auf der sfe jedenfalls auch heute „sexismus, rassismus, antisemitismus und homophobie auf widerstand„, was ein ohne frage ehrenswertes ziel ist. noch dazu bietet sie als institution ein nahezu einzigartiges angebot an, ein selbstbestimmtes (selbstverwaltetes) vorbereiten auf die „allgemeine hochschulreife“ bzw. die „mittlere reife“. der notenfreie unterricht orientiert sich an den rahmenlehrplänen, die staatlichen abschlußprüfungen finden extern statt.
die schule finanziert sich über das monatliche „schulgeld“, daß die schülerInnen selbst entrichten müssen.
schülerInnen und lehrerInnen gelten an der schule als gleichberechtigt. auch das ist sinnvoll, weil dadurch eine der hauptfunktionen gewöhnlicher schulen unterbunden wird, der assimilierungserfolg durch zwangsläufige unterordnung. daß dieser wesenszug von „schule“ in der sfe überwunden werden kann, ist allerdings natürlich auch nur eine temporäre illusion, denn spätestens zum zentralen abitur wird die kompatibilität mit dem standardisierten anforderungskatalog abgeglichen.

daß es eine irritierende erfahrung sein kann, auch in der praxis lehrer und schüler auf augenhöhe zu beobachten, wird unter umständen bei den vierzehntägig stattfindenden „vollversammlungen“ gewahr.
dann nämlich, wenn persönliche emotionalität, jahrzehnte gereifte politische ideologie, argumentative unzurechnungsfähigkeit und fehlende empathie aus den mündern der lehrerInnen auch bösartig als berufliche unprofessionalität ausgelegt werden könnten.

zu diskutieren gibt es bei diesen „vollversammlungen“ genug. über putzpläne und finanzprobleme, aber auch semi-gruppentherapeutisch über konflikte in der übersichtlichen gruppe aus schülern und lehrern, allerdings ohne therapeut. plenum eben.
eitelkeiten, gehässigkeiten und persönliche animositäten finden nicht verdruckst im lehrerzimmer statt, sondern werden thema in der großgruppe. daß das nicht zwangsläufig zur klärung und befriedung führt, sondern unter umständen im gegenteil kontrahenten ein zustimmungserhaschendes plädoyer für ihren jeweiligen standpunkt abhalten, ist vorhersehbar.
grundsätzlich subjektiv und sensibel sind jedoch themen zu behandeln, die beispielsweise von mobbingvorwürfen handeln. insbesondere jene, die die betonten bereiche sexismus, rassismus, antisemitismus und homophobie tangieren.
in einem auf solche fälle spezialisierten flugblatt, werden insbesondere schülerInnen darauf aufmerksam gemacht, daß sie in solchen fällen mehr als nur berechtigt sind, von der nestwärme der gemeinschaft zu profitieren:

Du mußt angehört werden (wenn Du dies forderst), ohne daß Deine Wahrnehmung des jeweiligen Vorfalls in Frage gestellt werden darf und ohne Zwang zur Rechtfertigung.

Derartige Vorfälle dürfen nicht als privates, persönliches „Problem“ degradiert werden (z.B. die Unterstellung, Du würdest Deine eigenen Probleme auf Andere projizieren.)

[…]

Beschlüsse, die Auflagen/Forderungen an die Angreifer beinhalten, müssen umgesetzt werden. Hierfür sind alle SchülerInnen, LehrerInnen und Angestellte verantwortlich, jedoch müssen zusätzlich einzelne Personen bestimmt werden, die dafür Sorge zu tragen haben, daß diese Beschlüsse umgesetzt werden.“ ((hervorhebung wie im orginal))

skandalös und wenig aussichtsreich für die oder den mutmaßlichen täter oder „angreifer“ wären sicher beispielsweise vorfälle verhandelt worden, die durch den vorwurf des sexismus bzw. sexistischen übergriffs mittels des definitionsrechts des opfers von anfang an entsprechend konnontiert gewesen wären.

in einem konkreten fall wendete sich jedoch eine langjährige englischlehrerin mit einer schriftlichen stellungnahme an die allgemeine runde, mit der sie verständlich machen wollte, weshalb sie sich von einer kollegin auf eine weise diffamiert fühlt, die sie nicht nur als „allgemein hetzerisch sondern auch als latent antisemitisch empfinde, denn gewisse Begriffe und Bilder, die sie verwendet bzw. aufruft, greifen uralte judenfeindliche und antisemitische Vorurteile auf„. ((aus dem „offenen brief“ der lehrerin, vom 29.5.08))

dieser brief an die allgemeinheit der linken zwecksgemeinschaft stieß zunächst auf allgemeines schulterzucken, später aber vor allen dingen auf die massive abwehr durch die beschuldigte kollegin, die von nun an samt verbaler schützenhilfe aus dem lehrerkollegium und vereinzelten schülerInnen tränenreich als opfer einer „politischen auslöschung“ (in einer schriftlichen gegen-stellungnahme wird von „verleumdung“ und „rufmord“ gesprochen) im mittelpunkt der allgemeinen anteilnahme stand. die bekannte inszenierung des sterbenden, von der „antisemitismuskeule“ getroffenen schwans.

woher die wahrnehmung der jüdischen lehrerin herrührte, stand allerdings nie auf der tagesordnung. wovon ihre sensibilität für worte wie „unterdrückung“ oder „ausbeutung“ und den vorwürfen ihr gegenüber von angeblicher „profitgier“ und „immobilienbesitz“ rührte, ob von ihrem dezidierten wissen über antisemitische denkmuster, das sie auch in ihrer stellungnahme mit querverweisen zu u.a. werner bergmann ((professor für antisemitismusforschung, technische universität berlin, autor von u.a. „geschichte des antisemitismus„)) und wolfgang kraushaar ((politikwissenschaftler am hamburger institut für sozialforschung, autor von u.a. „die bombe im jüdischen gemeindehaus„)) versuchte, weiterzugeben, oder ob sie vielleicht von einer traditionell antizionistischen haltung unter den politisch motivierten kollegen wußte, bei denen bestimmte worte erst recht dazu neigen, etwas bestimmtes auszudrücken – diese frage blieb unklar und wurde nicht besprochen.

angeraten wurde ihr jedenfalls, „dass du deine vorwürfe öffentlich zurücknimmst„. ((aus einer schriftlichen meinungsumsage eines dort beschäftigten geschichtslehrers))
ihre wahrnehmung wurde nicht nur als fehlerhaft abqualifiziert, ihre öffentliche intervention wurde als „vertrauensbruch“ und als aggressiv unruhestiftender akt gegen den burgfrieden des linken mehrheitskollektivs interpretiert.

einen „beschluß„, wie letztlich mit dem konflikt umzugehen sei, hatte die „vollversammlung“ offiziell nicht verabschiedet. für die anwesende mehrheit war das abschließende urteil jedoch eindeutig.
die gemobbte englischlehrerin vollstreckte es nach den sommerferien. sie hat ihre stelle an der sfe aufgegeben.
das thema antisemitismus ist somit erledigt. es verbleiben somit auch keine mutmaßlichen „immobilienbesitzerInnen“ an der sfe.

nachfolgerIn gesucht! (anzeige in der jungle world 40-41/08)


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  • 8 Okt 2008, 21:28
    by Prawda « Raumzeit


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    […] Natürlich gehört Georgien zu Europa. PPS: Antisemitische Feuchtgebiete in Berlin Possibly related posts: (automatically generated)Middle East Quartett in […]

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