die zwei davids und das kosmische bewusstsein

auf dvd habe ich mir mit etwas verspätung david sievekings dokumentation „david wants to fly“ angeschaut.
sieveking inszeniert sich darin selbst ein wenig nach „super size me„-manier: nicht über seine nahrungsbedingte überfettung sondern über den „trümmerhaufen„, der zuvor sein privatleben war, wundert er sich nach wochen eines selbstversuchs in einer disziplin, zu der ihm von seinem idol geraten wurde.

der film beginnt in seiner berliner wohnung mit postern zu david lynchs filmen „eraserhead“ und „blue velvet“ an der wand. auf den im laufe des films zu dokumierenden kult um den mittlerweile verstorbenen maharishi manesh yogi stößt sieveking über seine bewunderung von lynchs filmischen schaffens.
seit einigen jahren scheint lynchs hauptbeschäftigung in einem missionarischen sendungsbewusstsein zu liegen. seine öffentlichen auftritte hatten immer seltener mit film zu tun, in der regel fungierte er als türöffner zu einem oftmals relativ überrumpelten publikum, das sich daraufhin in einer werbeveranstaltung der „transzendentalen meditation“ (t.m.) wiederfinden musste.
in sofern macht es für sievenkings film sinn, daß er zu beginn als lynch-fan auf einer solchen veranstaltung mit verhältnismäßig naiven fragen an sein idol herantritt.

david sieveking gibt sich auch redlich mühe, im weiteren film relativ unbedarft zu wirken.
der film lebt nicht von faktenreichen enthüllungen, er soll auf einer subjektiven ebene gehalten werden.
vielsagend ist der film eher als nebeneffekt. in einem späteren interview mit david lynch wirkt dieser rührend defensiv und emotional:

der ausschnitt ist traurig, weil er dokumentiert, wie weit sich lynch bereits mit „t.m.“ identifiziert, daß er auch deren nahrungsergänzungsmittel“ amrit (als vermeintliches heilmittel gegen aids und krebs im umlauf) lobpreist. und mit „go far away! leave us alone!“ brachte lynch eventuell bereits unbewusst die eigentliche quintessenz seiner honigkuchen-seeligkeit zum ausdruck. denn meditation ist, wenn nicht eskapistisch, zumindest introvertiert, ein selbstgespräch.
die organisation allerdings, die lynch als „frosting on the cake“ bagatellisiert, verspricht nicht nur die lehre vom spaß mit sich selbst, sie strebt höhere ziele an: den weltfrieden.


((http://www.agpf.de/TM1.htm))

in seelisberg, schweiz hatte „t.m.“ bereits in den siebzigern eine „weltregierung für die zeit der erleuchtung“ ((http://www.weltanschauungsbeauftragte.elk-wue.de/fileadmin/mediapool/einrichtungen/E_weltanschauungsbeauftragte/DoksO-T/TM_kurz_PDF.pdf)) eingesetzt, in indien will der amtierende „maharadscha“ nun für einige millionen „brahmastan“ errichten lassen, die „hauptstadt des weltfriedens„:

der „radscha von deutschland“ wurde anfang 2006 von david lynch einem berliner publikum vorgestellt, das recht wenig begeisterung gegenüber dessen visionen eines „unbesiegbaren deutschlands“ zeigte.

spätestens bei dieser rituellen bekritzelung der grundsteine, nachts auf dem „teufelsberg„, muss wohl mancher lynch-fan zwangsläufig an „twin peaks“ denken:

die symbole erinnern an jene in der dortigen „eulenhöhle“, durch die sich windom earle übersinnlichen kräften zu ermächtigen versucht:

oder an den mystischen ort, an dem sich zum zeitpunkt einer konjunktion von jupiter und saturn in form eines roten vorhanges der durchgang in die „schwarze hütte“ materialisiert:

so oder so: vieles was in lynchs kultserie noch etwa an agent coopers affinitäten für übersinnliches liebenswert schrullig war, läuft nun gefahr, rückwirkend eher traurig symptomatisch zu wirken, wenn sich lynch in seinem eigenen leben wie in einem seiner filme bewegt.
seine unbedingte verteidigungshaltung gegenüber dem maharishi und sein engagement für dessen organisation, beispielsweise über seine „david lynch foundation„, lassen vermuten, daß lynch die „t.m.“-organisation auf die gleiche weise idealisiert, wie in seinen filmen ein meist vollkommen überzogen wirkender dualismus herrscht: das gute ist in seinen filmen häufig so zuckersüß (rotkehlchen, engel usw.), daß es – bislang – wie eine absichtliche überzeichnung interpretiert werden konnte.
lynch möchte nun am liebsten armadas des scheinbar guten fördern, „yogisches fliegen“ und meditieren für den weltfrieden.


aus „pardon“ 11/77: „kein witz – ich kann fliegen“

seine foundation möchte schon schulkinder an die „transzendentale meditation“ heranführen. die ausbildung der lehrkräfte übernimmt die t.m.-maschine in form von „wochenendseminaren„:

bei herren werden ein kurzer haarschnitt und glatte rasur vorausgesetzt
(aus einer einladung zu einem ausbildungskurs der maharishi international university ((dokumentationsteil XIII, m. mildenberger / a. schöll (hrsg.): „die macht der süßen worte“)))

die massenbekehrung führt zur „idealen gesellschaft„. eine minderheit an „t.m.“-anhängern reißt dabei die mehrheit „automatisch“ mit, man nennt es „maharishi-effekt„:

wenn nur 1 prozent der bevölkerung eines landes beginnt, in übereinstimmung mit den gesetzen der natur zu leben, indem sie 15 minuten morgens und abends die technik der transzendentalen meditation ausübt, wird die gesellschaft automatisch in eine ideale gesellschaft übergehen – eine gesellschaft ohne krankheiten, ohne leiden, ohne arbeitslosigkeit, ohne inflation, ohne unfälle, ohne probleme… ((aus der broschüre „einer von hundert„, meru press 1975, zitiert nach „die macht der süßen worte„))“

…dann, ja dann, wäre deutschland „unbesiegbar„.
aber das kann noch dauern, auf dem „teufelsberg“ in berlin wurde noch nicht gebaut.
radscha“ emanuel schiffgens, der „gute deutsche“ aus dem video oben, bat 2008 die bundesregierung darum, den „turm der unbesiegbarkeit“ bitte selber zu errichten. schließlich sei es aufgabe der bundesregierung, „deutschland unbesiegbar“ zu machen.

bis sich schiffgens‘ wunsch erfüllt, wird noch viel meditiert werden. mit einem mantra, das einem individuell zugeteilt wird – angeblich.

laut dieser liste müsste sievekings mantra „shirin“ gelautet haben:


klicken für vergrößerung

das entsprechende buch „die macht der süßen worte“ ist noch antiquarisch zu bekommen.

während sich ein angehender scientologe darauf freuen kann, eines tages ein „operierender thetan“ zu werden, lockt bei „t.m.“ der zustand des „kosmischen bewusstseins„, das allerdings nicht minder anstrengend klingt:

ob wachend, schlafend oder träumend – er spiegelt ununterbrochen die enge vertrautheit mit der gesamten kapazität an geistiger erlebnisfähigkeit wider. ständig bringt er die unbegrenzte energie, intelligenz und zufriedenheit des basisbereiches, in dem sein bewusstsein gegründet ist, zum ausdruck.“ ((h.h. bloomfield, m.p. caine, d.t. jaffe, r.b. kory: „transzendentale meditation“, 1976, s. 208))

prof. offenloch machte sich in den siebzigern, genau wie kollegen z.b. der harvard university, aus wissenschaftlichen gründen auf die suche nach diesem bewusstseinszustand und kam zu einem nüchteren ergebnis:

untersuchungen an der johann-wolfgang-goethe universität frankfurt ergaben, daß die elektrische hirnaktivität während der sogenannten transzendentalen meditation sich von der hirnaktivität während des übergangsstadiums zwischen wachen und schlafen nicht unterscheidet“ ((aus „schule & wir“ nr. 2/1979, zitiert aus: „die macht der süßen worte“, s. 127)).

und ich muß zugeben, daß ich dieses stadium eigentlich ganz gut leiden kann.
nur für den weltfrieden braucht es vermutlich etwas mehr als kollektiven halbschlaf.

p.s.:

sehenswert ist auch das bonusmaterial der dvd. gezeigt werden im film nicht verwendete interviews mit mutmaßlichen experten.

in diesen ausschnitten zu sehen: rick ross („sektenexperte„, ross institute of new jersey), hugo stamm (journalist / „sektenexperte„) und james randi („zauberkünstler und wissenschaftlicher skeptiker„, randi educational foundation):


related:
  • david wants to fly
  • lynch
  • „twin peaks“ nochmal gucken
  • soldatinnen gottes
  • die moral und der button

  • 19 Dez 2010, 13:41
    by Klaus Weber


    comment:

    Der Artikel enthält die bekannten Vorwürfe gegen TM, die zum größten Teil hier beantwortet werden: hxtp://www.lebensqualitaet-technologien.de/tm_fuer_skeptiker.html.. Vieles, was innerhalb der TM-Bewegung passiert, versteht man erst nach vielen Jahren regelmäßiger Meditation u d mitarbeit in der Organisation. Zugegeben, ich verstehe auch noch nicht alles. Wichtig ist doch nur, dass die TM funktioniert und die vorausgesagten Wirkungen hervorbringt. Und die sind in der Tat beeindruckend und durch ca. 700 wissenschaftliche Arbeiten bestätigt, von denen die Hälfte peer-reviewed in angesehenen Fachzeitschriften veröffentlicht wurde. hxtp://www.lebensqualitaet-technologien.de/Wissenschaft_Uebersicht.html
    Zum David Sieveking Film habe ich einen ausführliche Kommentar geschrieben: hxtp://www.lebensqualitaet-technologien.de/Sieveking_Film-Kritik.pdf.
    Die TM-Mantren sind inzwischen Internet-Gemeingut. Sie nützen aber niemandem etwas, denn TM kann man nicht aus dem Internet lernen, sondern nur persönlich in einem Kurs.

    19 Dez 2010, 14:38
    by dissi


    comment:

    letzterer link ist wirklich köstlich:

    Dass der jahrzehntelange blutige Bürgerkrieg in Mosambik mit Hilfe von Kohärenzgruppen Yogischer Flieger überwunden werden konnte, hat Ex-Präsident Joaquin Chissano ausdrücklich bestätigt und anerkannt.

    Es ist völlig absurd, von einer Indoktrinierung von Schülern zu sprechen, wenn die TM im Bildungsbereich eingeführt wird. Transzendentale Meditation führt dazu, dass die Kinder ihre Natürlichkeit erhalten und weiterentwickeln. Die überragenden Schulleistungen meditierender Kinder und die Harmonie in diesen Schulen sind der Beweis dafür.
    Dieses absurde Argument wurde dem Regisseur mit Sicherheit von der Kirche eingeflüstert.

    Es ist zwar richtig, dass auch nach 35 Jahren Yogischen Fliegens kaum jemand über das Stadium des Hüpfens hinausgekommen ist. Das heisst jedoch nicht, dass die Technik fehlerhaft ist…

    und zu des maharishis reichtum:

    Indien wurde jahrhundertelang vom Westen ausgebeutet. Es ist nur fair, wenn ein Teil dieses Reichtums wieder nach Indien zurück fließt.

    22 Dez 2010, 20:01
    by Mr. Tremont


    comment:

    Ich bin ein bekennender David Lynch-Fan. Zugleich bin ich aber auch Atheist und habe absolut gar nichts mit Religion zu tun. Dementsprechend kann ich auch nichts mit TM anfangen.

    Trotzdem sehe ich mich gezwungen, mich zum Film und zum Thema zu äußern.

    1. Der Film ist sehr manipulativ. Das „unbesiegbare Deutschland“ ist natürlich eine semantische Katastrophe. Gemeint ist hier natürlich keineswegs eine faschistische Tendenz, sondern die Bevölkerung des Landes soll durch TM immun gegen Angst etc. werden. Genauso sollen Zentren in anderen Ländern entstehen: „unbesiegbares Frankreich“ usw. Der Begriff unbesiegbar ist natürlich eine Katastrophe, speziell im Zusammenhang mit Deutschland. Was mit dem idiotischen Oberguru im weißen Hemd los ist vermag ich auch nicht zu sagen. David Lynch oder TM ansich faschistische Tendenzen zu unterstellen ist unangebracht. Manipulativ ist die Doku u.a. in dem Sinne, dass sehr rasch von der Disskusion weggeschnitten wird als Lynch aufklären will, um so Zusammenhänge zu unterschlagen.

    2. Meditation hat nachweislich positive Effekte auf das Gehirn. Dass dadurch Weltfrieden entstehen soll, ist natürlich total bekloppt. Aber so ist das eben immer mit Glauben. Ich finds auch bekloppt, dass manche glauben als schlechter Mensch kommt man in die Hölle etc. Ein paar Irre meditieren für den Weltfrieden: Who cares, ich kann mir schlimmeres vorstellen.

    3. TM hier mit Scientology in Verbindung zu bringen, halte ich für einen unangemessenen Vergleich.

    4. TM war noch nie Thema in einem Film von DAvid Lynch. Auch das überzogen Positive in den Filmen, was hier angesprochen wurde, ist eindeutig von Ironie und Camp-Elemente geprägt. Das Privatleben Lynchs interessiert mich nicht wirklich. Ich wäre auch nicht gern mit Klaus Kinski befreundet gewesen, trotzdem gucke ich gerne Film mit ihm.

    Fazit:
    Was soll die Aufregung. Für mich ist die Doku nur ein Profilierungsversuch eines unbekannten Filmemachers auf Kosten eines bekannten Filmemachers. Selbst wenn man Lynch jetzt für einen Spinner halten mag (wohl zu recht), an der künstlerischen Bedeutung seiner Filme ändert das gar nichts.

    20 Jan 2011, 15:35
    by dissi


    comment:

    eine späte antwort.

    mr. tremont, ich finde es sympathisch, daß du david lynchs cineastisches schaffen verteidigst. ich liebe seine filme ebenfalls, deswegen war das thema für mich relevant. vor sich hin meditierende menschen sind keine hassobjekte für mich und der maharishi war mir bislang recht egal.
    ich behaupte, daß d. sieveking aus einer ähnlichen situation heraus seinen film drehte. er hat sich dafür interessiert, was lynch sonst noch macht außer hypnotische filme zu produzieren, die einem menschen viel bedeuten können. diese haltung ist nicht mal semi-böswillig investigativ, lynch hat auf seiner (zeitweise kostenpflichtigen) website monate lang für den guru geworben und seine (zahlenden) kunden kamen nicht wegen meditation sondern wegen lynchs filmkunst auf die website.
    hier fand also eine penetration statt, lynch verfolgt ein missionarisches ziel. gerade du, als „atheist“, solltest bereits das zu kritisieren wissen.

    zu deinem punkt 4: „TM war noch nie Thema in einem Film von DAvid Lynch“.
    stimmt. in seinen büchern hingegen schon:
    http://amzn.to/fDcIB4

    ich denke nicht, daß eine klare trennung zwischen lynch als künstler und lynch als missionar noch möglich ist, da er selber seine prominenz zu dem zweck in den ring geworfen hat („david lynch foundation“).
    daß ich seine filme dennoch weiterhin mag, steht außer frage.
    lustig, daß ein geschätzter blogger bereits zu lynchs „inland empire“ vermutungen anstellte, in wie weit seine esoterische seite die filmischen ideen beeinflusst haben könnte: http://bit.ly/gPLEg2

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