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die moral und der button
habe heute den film „the box“ gesehen. zugegebenermaßen unter nicht optimalen bedingungen. ein xvid-download mit einem leicht verwaschenen bild einer russischen dvd und nachträglich hinzugefügtem englischen orginalton. vor dem pc, nicht auf einer kuschelcouch.
die offizielle dvd-veröffentlichung von „the box“ steht in deutschland am kommenden freitag als verleih-dvd an, zwei wochen später auch als kauf-dvd/blu-ray.
in den usa und gb dauert es geringfügig länger, dort lief er aber auch im kino. mit eher mäßigem erfolg.
richtig schlecht ist der film nicht. ich finde ihn sogar wesentlich besser, als es die mehrheitlich eher negativen kritiken (metacritic.com behauptet einen durchschnittswert von 47%, positives maximum wäre 100%) befürchten ließen.
aber ist er gut? oder läuft er als dritter kinofilm von richard kelly gefahr, das durch das debüt „donnie darko“ zurecht vermutete genie in kellys ambitionen zu widerlegen?
beide fragen lassen sich nicht einfach beantworten.
wichtig ist wohl, daß „the box“ auf einer kurzgeschichte von richard matheson beruht. diese wurde bereits für eine episode der mystery-kurzgeschichten von „twilight zone“ im us-tv der 80s verwurstet. damals im engen zeitkorsett von ca. 20 minuten. ich kenne weder diese tv-version noch die orginal-story, kann also leider nicht sagen, wieviel des stoffs in kellys drehbuch seine eigenen avancen gewesen sind.
der film ist in seiner auflösung sehr moralisch und wirkt ein wenig misogyn, um genau zu sein.
beides verwirrt mich sehr, u.a. auch nachdem ich verschiedene stellungnahmen von (männlichen) usern in der „internet movie database“ (imdb) gelesen habe:
„calebcox“ gibt dem film volle punktzahl. und seine begeisterung scheint einen semi-humanistischen hintergrund zu haben:
„The parallels it draws with human nature, capitalism, war, the way we treat one another and also [SPOILER] is unbelievably incredible and anyone who thinks this film is actually anything less than a 7 is deluded and would probably push the button.„
den button pushen. das ist ja die entscheidende frage. ich gebe dem film eine „6“ out of 10 und demnach hätte ich den button gedrückt.
hier ist das unmoralische angebot im detail. kryptisch formuliert von einem entstellten, aber charismatischen alten herren, gespielt von frank langella.
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es ist vielleicht ein „spoiler„, aber natürlich hat das drücken des buttons eine moralische implikation und auch heftige konsequenzen.
im film drücken übrigens ausschließlich ehefrauen auf den knopf.
imdb-user „twarner500“ dazu:
„The box is not one test for two people. Its one test for one person. The wifes of the families.„
der amerikanische „rolling stone“ fragt sich:
„Does this indicate a misogynist streak in Kelly?„
bestenfalls eine rhetorische frage.
inhaltlich geht es jedenfalls um eine prüfung und letztlich geht es auch um bestrafung.
klingt recht altbacken.
aber wie ist die inszenierung? eine berechtigte frage nach dem gnadenlos überfrachtet und unvollendet wirkenden zweiten kelly-film „southland tales„.
ich mag kellys herangehensweise an film eigentlich sehr. er bekennt sich auch dazu, ein produkt verschiedener geliebter, zum teil recht modern-popkultureller einflüsse zu sein. er legte in seinen beiden ersten filmen z.b. selbst auf die songauswahl einen großen wert, räumte den songs und lyrics eine bedeutungsschwangere position in den filmen ein.
für „southland tales“ ließ er darstellerin sarah michelle-gellar einen britney spears-artigen popsong aufnehmen, justin timberlake zu „the killers“ singen, saufen und tanzen, verwendete ansonsten u.a. titel von pixies, moby, jane’s addiction. bei „donnie darko“ lief auf die einzelnen sequenzen perfekt passende 80s-musik von u.a. „tears for fears“, „duran duran“ und „echo & the bunnymen“.
für „the box“ schließlich soll der score angeblich von mitgliedern der kanadischen band „the arcade fire“ stammen.
die musikalische untermalung in diesem film finde ich allerdings grauenhaft. sie ist zu laut, zu theatralisch, zu lang und manchmal auch fast unfreiwillig komisch.
eigentlich ist der film fast vollständig mit orchestraler musik unterlegt. es gibt viele stellen, an denen das zu nerven beginnt. aber vielleicht habe ich auch nur eine zwischenversion gesehen. mehr dazu weiß ich frühstens am freitag mit der orginal-dvd in der hand.
immerhin lässt richard kelly in „the box“ jean-paul sartre mehr oder weniger eine schlüsselposition einnehmen. mehrfach, insgesamt ca. 5-6x wird auf das theaterstück „geschlossene gesellschaft“ verwiesen.
nicht namentlich genannt wird david lynch. aber ich halte richard kelly wirklich für einen auf „lost highway“ und „mulholland drive“ zu doll hängengebliebenen fan. bin ich ja selber, aber ich mache keine filme.
„donnie darko“ war noch ein vorstadtmärchen, das kelly angeblich innerhalb von sechs wochen geschrieben hat ((so die „kitty farmer„-darstellerin beth grant in einem interview)). aber um so länger kelly zeit hatte für ein script, um so mehr lynchartige szenen baute er ein. ich rede hierbei nicht von traumartigen, surrealen stellen. es geht eher um eine ausufernd gelebte art von kniff, bestehend aus vielen elementen, wie kameraeinstellung, spärliche dialoge (über träume), timing, sprechen in fremden mündern oder protagonisten in der rolle archaischer figuren. in „southland tales“ wurde das etwa so rekonstruiert:
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in „the box“ gibt es so was auch, massig. aber es klappt oft nicht so recht. z.b. in einer der späteren schlüsselszenen, in der bibliothek: gerade zu beginn ist das lynchige kameraarbeit und eine musikkulisse wie in „twin peaks – der film„.
es ist aber irgendwie zuviel des guten, oder? die choreographie der bücherwürmer, das tapsige hinterhertrotten der zombieartigen holzfällerhemden.
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okay, vielleicht bin ich auch unfair. vielleicht ist mein kopf einfach zu voll im augenblick mit einer ganz anderen, wesentlich größeren mystery: heute nacht startet in den usa die finale staffel von „lost“.
wie das ausgeht, weiß ja auch noch kaum jemand. aber „the box“ wirkt, egal wie man es dreht oder wendet, am ende entweder reichlich moralisch und melodramatisch, möchtegern-umfassend wie eine schlechte verschwörungstheorie oder aber austauschbar und hohl wie die hölzerne „button unit„, die das ehepaar vor die haustür gelegt bekam. der ehemann, ein der nasa zuarbeitender wissenschaftler, hatte den boden der box aufgeschraubt und stellte fest: es ist nichts darin. nur der druckknopf und keine tiefergründige elektronik.
trotzdem: selbst film nr. 3, mit ca. 16 millionen dollar kosten etwa so teuer wie „southland tales“ ((laut imdb)), ist ein weiteres showreel richard kellys fähigkeiten. viele szenen haben eine sehr schöne cinematographie, die darsteller sind fast alle gut ausgewählt und fähig, viele dialoge sind angenehm simpel und reduziert, ohne richtig dümmlich zu werden.
aber auch hier gibt es nicht nachvollziehbare entscheidungen beim final cut, die mir bei „donnie darko“ erst beim ca. zehnten zuschauen auffielen, hier aber sofort: es gibt auch hier wieder szenen, die fast vollständig im film vorkommen, aber zerteilt werden und dann ohne ersichtlichen dramaturgischen grund scheibchenweise nachträglich eingestreut werden.
in „donnie darko“ betraf das die szene mit der „lifeline exercise“ ((sie wurde ca. 15 minuten zuvor angefangen, bevor dieser zweite, längere teil mit darko-intervention gezeigt wird)), hier geht es um die martialische behausung des knöpfchenkönigs. riesige rotoren rotieren im hintergrund und eine hässliche cgi-verzierung umrahmt die zwei securties und die siloulette des langellas. das ganze kommt im film ca. dreimal vor, weil die scheinbar einst am stück geschriebene szene auf einen zeitraum von etwa einer halben stunde in unterbrochenen stücken ausgebreitet wird und langsam zu nerven beginnt.
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gut, das ist ein sehr läppisches beispiel. aber da wo etwa „mulholland drive“ teilweise vielleicht auch auf chronologische dramaturgie scheisst, bzw. diese bewusst und gerne ad absurdum führt, wo jeder inhaltliche flaw gerne hingenommen wird für das große ganze, weil es ein in sich stimmiger gesamtrauschzustand ist, genau da kann weder „southland tales“ noch „the box“ mithalten, denn hier ist es kein durchgehender traumzustand. es ist nur ein film mit begrenztem horizont und mangelnden fähigkeiten. es ist eine bruchlandung. ein hübsches fluggerät, scheiternd auf halber strecke. es ist nicht genug finesse im tank.
richard kelly ist nicht david lynch.
deswegen ist dieser film zwar ganz gut, unterhaltsam sogar, mit einigen highlights, aber es ist keine stimmige summe.
und inhaltlich ist es – frank langella hin oder her – gar schlicht fragwürdig paternalistisch. denn einen sinn muss man suchen bei einem solchen film und am ende hatte „calebcox“ recht. leider.
p.s.: ich bin gerade etwas irritiert, daß ich in meiner version von „the box“ bestimmte sequenzen aus dem trailer gar nicht gesehen habe. ?!
von „southland tales“ gab es in cannes eine 210 min.-version, auf dvd sind es weniger als 120 minuten. richard kelly hat wohl ein praktisches problem mit dem zeit/raum-kontinuum. vermutlich gibt es für „the box“ ebenfalls eine verschollene 160 min.-version (derzeit: 115 min.). mangels erfolg wird dieser director’s cut womöglich niemals veröffentlicht.
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Ich gebe zu, Du hast meine Vorfreude auf den Film erheblich getrübt. Gespannt bin ich dennoch, ob ich Deine Einschätzung teilen werde…
Dass Kelly nicht Lynch ist, kann übrigens solange kein Ausscheidungsgrund sein, wie Kelly nicht behauptet, Lynch zu sein. Dass in Southland Tales die Winkie’s-Szene (extrem paraphrasiert) zitiert wird, kann allein kein Grund sein.