dissi in israel (5)

day four

den vierten tag verbrachten wir größtenteils in ramallah, dem tel aviv der palästinensischen gebiete.
unter 60.000 einwohnern überwiegt angeblich eine christliche mehrheit und die arbeitslosigkeit soll bei harmlosen 5% liegen (gaza: 70%).
in ramallah befindet sich der sitz der palästinensischen autonomiebehörde, eine enorme dichte internationaler ngo’s und es haben auch sämtliche stiftungen deutscher parteien dort eine niederlassung. von der rosa-luxemburg-stiftung (im aufbau) bis zur konrad-adenauer-stiftung.
letztere war naturgemäß gastgeber der frankfurter reisegruppe der „deutsch-israelischen gesellschaft„.

im kas-büro warteten zwei referenten auf uns.
als erstes wassem khasmo von der „negotiation support unit„, die die „palestine liberation organization“ (plo) in vorbereitung zu möglichen friedensverhandlungen berät.
titel seiner powerpoint-presentation: „shattered peace – israeli militarism & unilateralism„.

kas_plo

seiner meinung nach sei es nach wie vor die strategie der israelis, „soviel land wie möglich zu besetzen“. als ausgangslage geht er stets von einem „historic palestine“ aus, wobei es vielen gästen unklar ist, was er damit meint, denn eine solche homogene oder gar administrative gesamtheit hat es nie gegeben.
anschaulich stellt er aber dar, wie extrem absurd die situation in der „westbank“ heute ist: sie ist unterteilt in drei zonen: solche unter israelischer, andere unter vollständiger palästinensischer kontrolle und wieder andere unter mehr oder weniger geteilter administration. ein tingeln zwischen den zonen ist weder palästinensern noch israelis ohne weiteres möglich. israelis haben etwa hausverbot in ramallah.
neben den israelischen siedlungen gibt es „bypass-roads“, die ein sicheres verkehrsnetz für israelis darstellen sollen, ohne bestehende, allerdings meist marode, palästinensiche infrastruktur nutzen zu müssen, die potentielle ziele für judenhasser darstellen könnten.
laut khasmo hat der israelische siedlungsbau in der westbank in den letzten jahren deutlich zugenommen. die theoretische bewegungsfreiheit der palästinenser ist durch etliche checkpoints, die im zuge israelischer siedlungen nötig werden, stark eingeschränkt.
auch die sperranlage, der sogenannte „security fence“, der israels kernland von der westbank abtrennt, um wellen von terroristischen anschlägen und selbstmordattentaten zu verhindern, wie sie während der „zweiten intifada über 1036 todesopfer und über 7000 verletzte forderten, ist für khasmo kritikwürdig, sie reiche bis zu 22 km in die westbank hinein.
tendentiell ist sein vortrag natürlich in einem alarmierenden stil, so befürchtet er etwa, christen und moslems würden langfristig „aus jerusalem vertrieben“.

zu kleineren auseinandersetzungen kommt es während der q&a-runde. so offenbart sich an vielen stellen eine vollkommen andere wahrnehmung von historischen ereignissen. selbst den abzug aus gaza interpretiert er als „trick“ oder vorwand, die westbank zu zersiedeln.
eine objektivität gegenüber historischer fakten unterstellt er sich selbst aber gar nicht, seine lapidare einschätzung: „we have a different narrative„.
und obwohl er ja doch die plo zu friedensverhandlungen überreden soll, lautet sein fazit: „seeing the settlements, the wall, not allowing me to move freely […], how can you convince me that israel really wants peace?„.

kas_deutsch
kas-broschüre auf hotel-teppichboden

die objektivität ausdrücklich gepachtet haben will aber der nächste referent. philip holzapfel ist nämlich politischer referent des „deutschen vertretungsbüros“ in ramallah und repräsentiert somit die offizielle haltung der bundesregierung. gleichzeitig weist er mehrfach darauf hin, daß er „nicht zitierfähig“ sei.
ein best-of sei hier trotzdem wiedergegeben. als „analyse eines beobachters„, wie er seinen vortrag definiert.

palästina“ bekommt die größte pro-kopf-dichte an sogenannter „entwicklungszusammenarbeit„. die unhcr ist die größte unterabteilung der „united nations„. deutschland war das erste land mit einem „representative office“ in palästinensischen gebieten, unterhält dort aber offiziell keine diplomatischen beziehungen, sondern „beobachtet“, leistet „entwicklungszusammenarbeit“ und so.

holzapfel spricht zunächst über den gazastreifen, das dichtbevölkerste nicht städtische gebiet der welt, so groß wie bremen, mit 1,5 millionen einwohnern, davon 2/3 in sogenannten „flüchtlingscamps“.
die im folgenden permanent durch holzapfel bemühte „internationale gemeinschaft“ habe „bis auf ein paar spielverderber“ den israelischen abzug aus gaza begrüßt.
es gab einen plan, die wirtschaft von gaza nicht vollständig absaufen zu lassen. nach einem plan von condoleeza rice sollte die anzahl der zugelassenen lastwägen, die zwecks export das gebiet verlassen, schrittweise erhöht werden. daraus wurde aber nichts, als der nun mehr seit jahren anhaltende raketenterror aus gaza begonnen hatte.

die bundesregierung begrüße die vorstellung einer „konsensregierung„, die die plo anerkennt. gleichzeitig schätzt holzapfel das risiko als hoch ein, daß aus der derzeit verhandelten, möglichen „einheitsregierung“ und den nächstes jahr anstehenden wahlen, eine gestärkte hamas und ein hamas-präsident resultieren könnten.

und dann wird es reichlich bizarr.
holzapfel zeichnet ein schaubild, in dessen mittelpunkt das vermeintliche maß aller dinge, der „internationale konsens“ (abgekürzt als IK) steht. wodurch der konsens definiert wird, führt er nicht aus, aber vermutlich meint er die „u.n.“ und deren nicht gerade arg israelfreundlichen minimalkonsens mit mitgliedsstaaten wie dem iran, russland, china, venezuela, syrien usw.

kas_schaubild

message des schaubildes: anhand der timeline von staatsgründung israels bis heute habe sich israel immer mehr vom common sense der „internationalen gemeinschaft“ entfernt, während die arabische / palästinensische seite sich diesem konsens tendentiell angenähert habe.
nach mehreren interventionen aus dem publikum unterteilt holzapfel den arabischen abschnitt zwar nochmal in artige „arabische liga“ und jihadistische palästinenservertretungen, aber das deutliche bild bleibt. selbst während der „zweiten intifada„, als also tausende israelis in die luft gesprengt wurden, verhält sich die palästinensische seite laut dessen, was auf den ersten blick aus diesem schaubild abzuleiten wäre, also einigermaßen gemäß eines „common sense“, zumindest nicht viel schlimmer als israel.

da holzapfel, ob zitierfähig oder nicht, indirekt die „offizielle haltung der bundesregierung“ repräsentiert, wirft das ein für mich realistisches, für die übrigen mitreisenden eher schockierendes bild auf den status quo deutscher „entwicklungszusammenarbeit„.

anschließend übernimmt thomas birringer, der leiter der „konrad adenauer-stiftung“ in ramallah.

die kas-mitarbeiter seien recht wohlwollend aufgenommen worden, meist verbunden mit der einschätzung, es handele sich bei ihnen um vertreter einer politisch linken organisation.
denn vor ort herrscht die realistische wahrnehmung, daß eine haltung gegen die hamas, also eine bewußte abgrenzung von den „konservativen“ kräften vor ort eine verhältnismäßig progressive und säkulare ausrichtung darstellt und somit klassische linke positionen verkörpert.

für die cdu-nahe stiftung gäbe es vor ort dennoch „keine natürlichen partner„.

weil sich die „fatah“ in ihren grundsatzpapieren als irgendwie „sozialistisch“ begreift, habe die spd-nahe „friedrich-ebert-stiftung“ zu ihr eine gewisse nähe. zahlreiche andere linke splittergruppen in der plo böten zudem anknüpfungspunkte für die stiftungen der grünen und der linkspartei.

was die kas vor ort u.a. macht, sind meinungsumfragen. als wäre man in deutschland, stellt man hier alle drei monate die „sonntagsfrage„. sowohl in gaza als auch in der westbank führe man angeblich repräsentative umfragen durch. den jüngsten zahlen zufolge habe die hamas an zustimmung im gazastreifen verloren und zwar auch gerade nach der „operation cast lead“ anfang diesen jahres. letztere bewirkte in der westbank allerdings eher das gegenteil: dort verlor die fatah zugunsten der hamas.
den gazastreifen könne die hamas nur noch mittels militärischer unterdrückung kontrollieren. autonome politische bestrebungen werden unterdrückt, säkular orientierte zeitungen aus der westbank verboten.
auch seien im gazastreifen freie wahlen nicht zu gewährleisten. andererseits müsse die hamas die wahlen und deren beobachtung zulassen, wenn sie sich mit der fatah während der derzeitigen verhandlungen geeinigt habe.
allein 2007 habe die hamas noch über 200 fatah-milizionäre erschossen. zahlreiche weitere opfer seien inhaftiert, wurden und werden gefoltert.

von allen arabischen ländern ginge es den palästinensern in jordanien am besten. sie stellten dort offiziell 47% der bevölkerung, inoffiziell werde allerdings ein anteil von ca. 63% geschätzt.
im libanon haben palästinenser berufsverbot, sie leben ausschließlich in massenlagern.

mit birringer folgte anschließend eine kleine bustour durch ramallah.
erster halt: das mausoleum arafats, das sich vor dem regierungssitz der autonomiebehörde befindet.

ramallah_arafat1

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anschl.: shopping downtown ramallah

ramallah3
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„you can’t change the real thing“

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