„das war pornographie“

der abend im türkischen gemüsehandel hat doch einige fragen offen gelassen.
judy minx (19), die fistende muse des abends im rahmen des „3. pornfilmfestivals“ in berlin beantwortete mir ein paar fragen über ihre performance und über ihr selbstverständnis als „porn actress, sex-performer, sex-educator […] and queer/feminist/sex-positive activist“ (selbstbezeichnungen aus ihrem myspace-profil).

zunächst einmal fiel es mir schwer, eine gemeinsame sprache mit ihr, der jungen französischen pornodarstellerin, zu finden. klar, oberflächlich betrachtet war das englisch. aber es ist ja wohl klar, daß das durch ein wenig alltagspraxis erweiterte schulwissen nicht ausreicht, um verständliche fragen stellen zu können, wenn sie sich um das porn-business und ein persönliches verständnis von sexualität drehen.

außerdem lief für meinen geschmack so ziemlich alles schief in diesem interview. gleich die erste frage beantwortete sie mit einem diss auf die rolle helena bonham-carters in „fight club„, wegen der ich mich kurzzeitig in sie verliebt hatte (ich finde bonham-carter aber bis heute cool), und später führte frau minx sämtliche fragen meinerseits ad absurdum, weil sie sich wider erwarten überhaupt nicht als vertreterin eines so called „feministischen pornos“ verstehen will.

aber lest selbst: wir machten das beste aus der sprachbarriere und ich habe hier auch nachträglich sowohl fragen als auch antworten nur geringfügig gekürzt. die englische orginalfassung davon würde ich ja am liebsten aufgrund meiner bei diesem versuch doch auf grund gestoßenen sprachkenntnis verschweigen, ich habe sie aber auch veröffentlicht, sozusagen als beweis, daß ich da nix an den antworten gemurkst habe.

liebe ms. minx, ich war gestern auf deiner performance des „fisting clubs“. kannst du mir erklären, um was es dabei eigentlich ging?
offensichtlich ging es um fisten. aber ich hatte währendessen noch nach einer tiefgründigeren botschaft gesucht, die ich allerdings nicht gefunden habe.
geht es einfach um den umstand, daß wir alle löcher haben und daß wir spaß dran finden sollten?

„der „fisting club“ handelt vom fisten. es gibt keine notwendigkeit für eine „tiefgründige botschaft“. das fisten an sich geht bereits ziemlich tief.
vielleicht ist an der sache wesentlich mehr dran, aber dann solltest du schon eher shu lea fragen, sie war die regisseurin der performance, ich nicht.
für mich ging es in erster linie darum, daß es entertaining und sexy sein sollte. ich würde eigentlich nicht versuchen, dem ganzen mehr sinn geben zu wollen.
natürlich ist da eine paralelle zu sehen, wodurch der „fight club“ durch den „fisting club“ eine feministische, sex-positive wendung erhält. „fight club“ ist ein film über männer und männlichkeit, er transportiert maskuline werte, die einzige weibliche rolle in dem film entspricht einer eher misogyn geprägten vorstellung. also liefert der „fisting club“ vielleicht eine alternative zu dem „fighting“.
vielleicht regt er fisten als alternative zum fighten an, das teilen von sex, liebe und extremen sexuellen praktiken anstelle sich die haare zu rasieren, an seinen muskeln zu arbeiten, zum „übermensch“ zu werden, um anschließend seine kumpel im keller zu verprügeln.
die typen im „fight club“ scheinen zu glauben, sie würden die gesellschaft verändern, eine revolutionäre tat oder mindestens ein widerspruch zu den vorherrschenden wertvorstellungen. frauen haben sie aber ausgeschlossen von ihrer armee.
vielleicht haben wir frauen jetzt aber unseren eigenen club gegründet, weil wir uns dachten „jetzt fisten wir uns selber“, anstatt darauf zu warten, zu brad pitt’s club eingelassen zu werden.

das ist, jedenfalls, nur das, was ich mir gerade ausmale, nicht die offizielle intention der show. wendy and shu lea wären damit vermutlich auch nicht einverstanden. ^^“

was ich an der performance gemocht habe, war, daß man sehen konnte, daß wendy delorme dir wirklich vertraute. ihr hattet direkten augenkontakt, du hast jede ihrer reaktionen genau beobachtet, es wirkte fast wie ein liebesdienst.
allerdings kamen danach noch leute auf die bühne, die scheinbar ermuntert wurden, „es“ „auch mal“ zu „probieren“.
waren diese freiwilligen identisch mit den teilnehmerInnen an eurem fisting-workshop, den ihr abgehalten hattet, oder war das so spontan, wie es aussah?

„wendy und ich haben tatsächlich eine tolle verbindung auf der bühne und das ist auch verdammt wichtig, wenn du eine fisting-performance machen willst. wir sind allerdings nicht in romantischer weise miteinander verbandelt, wir sind aber gute „femme friends“ und ich liebe sie.
die freiwilligen auf der bühne waren tatsächlich teilnehmerInnen des workshops am tag zuvor, einige davon waren auch freunde von wendy und mir. sie hatten alle bereits mindestens einmal wendy gefistet, entweder am tag zuvor oder unter anderen umständen.
wir hätten es spannend gefunden, wenn mehr menschen aus dem publikum spontan auf uns zugekommen wären, das war aber nicht der fall.“

aber selbst wenn die message der performance gewesen wäre: „fisting is for everybody“, hätte das befremdend wirken müssen auf die meisten menschen, die das „fisten“ nach wie vor für „bizarr“ oder „gefährlich“ halten, die es vielleicht in erster linie mit bdsm (s/m) assoziieren und so.
ist denn „fisting“ eine so außergewöhnlich kickende sexuelle praxis, daß sie möglichst vielen menschen näher gebracht werden sollte? und ist das dann „sex education“, der workshop und die performance?

„ich finde, die frage ist merkwürdig gestellt. fisting ist eine befriedigende sexualpraxis für einige, und für andere nicht. keine sexualpraxis ist für alle befriedigend. wendy hat spaß am fisten, aber wir sagen nicht, daß auch andere das mitmachen müssen. wir führen es auf, weil es eine praxis ist, die sonst selten berücksichtigt wird. das populäre bild von fisting ist anales fisting unter männern, aber vaginales fisten findet kaum berücksichtigung.
der workshop allerdings war tatsächlich „sex-education“, weil wir dort genaue anleitung gegeben haben, wie fisting sicher durchzuführen ist, welche gleitmittel empfehlenswert sind usw., aber die performance war keine aufklärung, das war pornographie.“

reden wir kurz über porno und feminismus.
ich halte es für einen fortschritt, daß einige frauen nun genauso öffentlich bezug nehmen auf porno, wie es einige männer tun, und dabei laut und klar verurteilen, was sie an bisherigem mainstream-porn abgestoßen hat bzw. gleichzeitig dazu stehen können, was sie eventuell antörnt.
ich finde porno sollte von frauen inspiriert sein. ich kenne aber ein paar „left-wing-activists“, die darin einen widerspruch sehen.
um das mal klarzumachen, was ist „feministic porn“ nach deiner definition?

„warum fragst du mich danach? ich habe niemals einen solchen ausdruck benutzt.
„feministic porn“ würde wohl porno sein, in dem feministische ansichten ausdruck finden, entweder direkt oder indirekt. unter diesen bedingungen sehe ich nicht, wo da ein widerspruch sein sollte.“

die pornoindustrie ist größtenteils in männerhänden. die meisten pornofilme scheinen eher männliche phantasien zu realisieren. gibt es nicht da einen widerspruch zu feministischen ansätzen?

„also erstmal muß ich anmerken, daß es immer mehr frauen gibt, die regie bei pornfilmen führen oder eigene pornfirmen unterhalten. die amerikanische porndarstellerin belladonna etwa, inszenierte eine reihe eigener filme und hat auch eine eigene firma. ovidie ist eine französische ehemalige pornodarstellerin, die inzwischen regie führt.
außerdem halte ich die prämisse deiner frage, daß „die meisten pornofilme eher männliche phantasien“ folgen würden, für vorurteilsbelastet. was ist denn eine „männliche phantasie“? ich glaube nicht, daß phantasien männlich oder weiblich sind. jede/r kann eigene phantasien haben.
ich schaue selbst eine menge mainstream-porn und ich bin recht zufrieden mit den phantasien, die dort dargestellt werden. das sind meine.“

ich habe deine auftritte auf der website explicit-art gesehen, die ich natürlich gemocht habe. die szenen wirken überhaupt nicht so, als wärst du in sie hineingezwungen worden, überhaupt wirken die meisten szenen dort eher wie … äh … authentischer spaß an der sache.
aber kannst du mir sagen: wieviel davon ist eigentlich gestellt? zum beispiel diese „audition scenes“, die sind ja wohl grundsätzlich aufgesetzt, oder ?

„ich verstehe die frage nicht. ich kann nicht sagen, was „grundsätzlich“ gemacht wird, ich kann nur von meinen eigenen szenen sprechen.
die szenen mit mir auf explicite-art sind nicht gestellt, sie sind gonzo, real-porn, das heißt, du siehst, was passiert. die nachbearbeitung ist minimal. du kannst die zweite kamera sehen, du siehst die kabel auf dem fußboden liegen. du siehst mich eine zigarettenpause haben, du siehst meine kommentare und reaktionen auf alles, was ich tue.
kleine stellen sind inszeniert, zum beispiel wenn mich der regisseur bittet, bestimmte sachen zu sagen oder zu fragen und auch die positionen sind nicht immer spontan (die müssen auf dem video gut aussehen, also müssen wir einen bestimmten winkel zur kamera halten oder so). aber, wirklich, das meiste, was du auf dem video siehst ist das, was wir gemacht haben. nicht mehr, nicht weniger.“

und du planst, weiterhin pornos zu drehen ?

„ja, ich mache weiterhin porno. manchmal denke ich ans aufhören, wenn ich einen anstrengenden tag oder eine negative erfahrung hatte, aber die meiste zeit bin ich recht zufrieden mit dem, was ich tue.“

würdest du angebote von mainstream-firmen wie „hustler barely legal“ ablehnen? und falls ja, warum?

„keine ahnung. spielt aber wohl ohnehin keine rolle, da diese studios nicht in frankreich produzieren. allerdings ist das studio, mit dem ich bereits arbeite, explicite-art, eigentlich schon mainstream. und ich war in den beiden „most mainstream adult magazines“ frankreichs: „chobix“ (july 2007) & „hot video“ (january 2009).“


minx on the street. gegen homophobie hilft manchmal nur schreien.

auf deiner myspace-page sind auch viele fotos von deinem politischen aktionismus zu sehen. was sind die politischen themen, die du verhandelst?

„meinst du die politischen themen des porn oder die politischen themen, die mich grundsätzlich interessieren?
wenn du von erstgenanntem sprichst: da gibt es eine menge politischer themen bezüglich porn, allerdings wenig aktionismus dazu. die wichtigsten punkte dabei sind:
– die rechte der „sex workers“ in der pornindustrie (wir wollen höhere gehälter, mehr rechtssicherheit gegen mißbrauch durch arbeitgeber, gesetze und maßstäbe für eine gesundheitliche absicherung)
– die organisation und zusammenführung von sexarbeitern in der pornindustrie, um diese und andere rechte zu bekommen
– regierungs-subventionierter porno, genauso wie alle anderen genres des kinos [durch filmförderungsanstalten, d.A.] subventioniert werden, ende der zensur
– ein ende der tabus der masturbation, des porno und bezüglich aller scham im zusammenhang mit sexualität, sowie ein ende der stigmatisierung von sexarbeitern im allgemeinen
– einfacherer zugang zu einer größeren auswahl an pornographischem material

falls du nicht vom politischem bezug auf porno gesprochen hast, will ich dir auch antworten geben, allerdings weniger detailliert, das würde zu lang werden:
ich bin engagiert in feministischen, „LGBT, queer, sex-positive movements“.
selber die partnerin einer transgender-person, fühle ich mich persönlich involviert in das „transsexual, transgender and intersexed movement“.
selber lesbe und frau, bin ich auch verbunden mit der bewegung für die rechte von schwulen und lesben, für die sichtbarkeit von homosexuellen, für feminismus.
als „kinky person“ (online dictionary geht von „pervers“ bis „schrullig“) kämpfe ich auch für die rechte von kinky persons, damit diese ihren spleen frei und ohne scham ausleben können.“

gibt es eine strikte trennlinie zwischen deinem professional sex work und deinem privatleben oder geht das zuweilen ineinander über ?

„zwischen meiner arbeit und meinem privaten sexleben gibt es keine überschneidungen. was ich im porno mache hat nichts zu tun, mit dem, was ich im bett praktiziere. in meinem privatleben bin ich lesbe (ich habe in erster linie sex mit trans-masculine persons, also personen, die NICHT mit einem penis geboren wurden), während ich im porno meistens mit eindeutig veranlagten männern und frauen zusammenarbeite, und mit menschen, zu denen ich mich generell nicht hingezogen fühle.
in meinem privatleben praktiziere ich bdsm, im film versuche ich das zu vermeiden.
in all dem anderen sex work ist es generell dasselbe: ich arbeite für oder mit menschen, mit denen ich in meinem privatleben keinen sex haben würde, und das, was ich mit ihnen tue, hat wenig ähnlichkeit mit meinem privaten sexleben.
meine arbeiten, die ich mit der französischen queer regisseurin emilie jouvet gemacht habe, oder die fotoaufnahmen für „no fauxx“ könnten unter umständen in die kategorie der überschneidung fallen, aber ich sehe das nicht als „sexwork“, vor allem weil wir kein geld daran verdient haben. in der regel werden davon gerade mal die unkosten getragen. das ist eher aktionismus… oder kunst.“

was machst du als nächstes ?

„also, es gibt es eine erotische bdsm-story, die demnächst in einer serie von kurzgeschichten veröffentlicht werden wird. außerdem laufen ein paar queer porn projekte, sowie shows und tourneen.
betreffend sexwork: ich laß das langsam angehen, szene für szene.“

judy minx ist online zu bewundern, u.a. auf den paysites „explicite-art.com„, „no fauxx“ und „nakedby.com„. ms. minx hat auch einen eigenen blog: „i’m so excited“ (hauptsächlich auf französisch) und natürlich eine myspace-seite.
der „fisting club“ von wendy delorme hat ebenfalls eine eigene website.

das header-foto ist teil einer fotoserie namens „putain“, aufgenommen von kael t. block.


related:
  • „it’s pornography“
  • fische und fäuste
  • wird wohl interessant
  • „9 to 5“ @ „3 nach 9“
  • feministischer porno ?

  • 5 Nov 2009, 17:52
    by M.


    comment:

    „er transportiert maskuline werte“ und
    „ich glaube nicht, daß phantasien männlich oder weiblich sind.“
    widerspricht sich aber ganz schön. Laut ihr kann es also keine männlichen oder weiblichen Phantasien geben, aber männliche Werte schon?

    Schade, dass du da nicht nachgehakt hast (aber solche Dinge fallen einem ja manchmal erst im Nachhinein auf).

    5 Nov 2009, 17:57
    by M.


    comment:

    Ich korrigiere:
    Sie sage „maskuline Werte“. Dennoch, sonderlich präzise drückt sie sich hier nicht aus, da hätte ich gerne mehr gewusst. Vielleicht ist „maskulin“ für sie im Gegensatz zu „männlich“ ja ein patriarchal zu verstehender Begriff- dann kann es aber auch maskuline (also patriarchale) Phantasien geben…

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