wo bleibt der neue antifaschismus ?

linksrucklondon
linksruck„-mutterorganisation in london – das ist er nicht, der neue antifaschismus.

ich habe nur den gestrigen zweiten tag des forums besucht und in meinen notizen habe ich leider nicht immer genau vermerkt, wer genau was sagte, sondern nur stichpunkte mitgeschrieben. es kann daher im einzelfall so sein, daß ich zitate falsch zugeordnet habe. sorry dafür vorab.
ein eigenes fazit, so ich denn eins habe, stelle ich auch lieber voran: „hassprediger“ habe ich keine gesehen.
und auch meine befürchtungen als rudimentär noch linker, mich mit einer versammlung von cdu-wählerInnen, obgleich der intelligenteren dieser sorte, konfrontiert zu sehen, wurden nicht bestätigt. es war wesentlich weniger bieder. außerdem waren noch kostenlose getränke, schnittchen und gebäck im preis inbegriffen. lecker.
dennoch: rumgelinke hätte einigen bestimmten distinguierten kandidatInnen den tag versauen können, denn es wehte deutlich der wind des liberalen „euston manifesto„, mit dem ich für’s erste aber ganz gut leben kann. im folgenden gebe ich allerdings weitgehend nur notiertes weiter.

——-

wo bleibt der neue antifaschismus? gute frage und keiner hat sie bei der iran-konferenz des middle east freedom forums in berlin so plakativ und populär gestellt wie thomas von der osten-sacken (wadi e.v.), sichtlich und ausdrücklich auch beeindruckt von einem erfreulichen altersdurchschnitt, einem wachsenden interesse unter jüngeren menschen, die aber schon zu alt sind für polit-kindergärten wie [´solid] (pds-parteijugend) oder die örtliche proll-antifa-gruppe mit antiimp-parolen.
und tatsächlich ist das interesse, was die ca. 300 ((eigene schätzung)) besucher des forums geeint hat, ein bewußtsein, das der masse abgeht.
dabei spielt sich im iran das meiste im tageslicht ab, ist also ein offenes geheimnis. darunter sind sowohl die verstöße gegen sämtliche un-resolutionen zu verstehen, die durch das fortbestehen und die ausweitung des iranischen atomprogramms, das auch der anreicherung urans zur ausrüstung nuklearer waffen dient, als auch der brutale despotismus ins innere. ebenso sind die für den iran essentiellen wirtschaftlichen beziehungen zu deutschland oder die jüngsten milliardendeals mit österreich und der schweiz allgemein bekannt.
vielleicht läßt sich die tatsache, daß dem islamischen regime seit gut 30 jahren zugesehen wird, das mangelnde interesse an dem bedrohungspotential, das von ihm ausgeht, gut zusammenfassen durch die worte des ehemaligen leiters des deutschen orient-instituts, udo steinbach, den henyrk broder am samstag als heimlichen besucher des forums entdeckte und öffentlich outete. er hatte gegenüber „radio teheran“ die bedrohung, die von iran ausginge, auf „die säkulare türkei“ und „natürlich israel“ beschränkt. europa und im speziellen deutschland sei ja nicht bedroht.
dann ist ja alles gut.
so denken laut einer eu-studie von 2003 auch 65% der deutschen bevölkerung, die israel selbst für die „größte bedrohung des weltfriedens“ halten.
diese haltung ist populär repräsentiert in der linkspartei, den grünen, aber auch in der spd und natürlich vor allem in der sogenannten „friedensbewegung„. die lehren des zweiten weltkriegs sehen für die deutschen laut prof. jeffrey herf etwa so aus:
„you start a war and it ends in a desaster. so don’t start a war!“.
oder aber es haben sich vielleicht beliebte egozentrische nullaussagen wie „nie wieder krieg!“ und „nie wieder faschismus!“ inzwischen zu einer ganz anderen aussage verselbstständigt: „nie wieder krieg gegen faschismus!“.
ich glaube, ebenfalls herf war es, der eine ähnliche beobachtung wie die „gruppe morgenthau“ gemacht hat: nämlich daß sich vor allem dem „dead antisemitism“ nazideutschlands zugewandt werde, etwa in form von gedenktagen und gut gemeinter mahnungen, der „living antisemitism“ jedoch kaum beachtung findet.
broder: die deutschen „führen noch den krieg von ’44/’45“.

aber zurück zum „neuen antifaschismus“ nach der vision von thomas von der osten-sacken: für ihn ginge es um einen antifaschistischen universalismus, dem es nicht um eine „einigung“ mit dem mullah-regime geht, sondern um dessen kapitulation.
die forderungen setzen eine kapitulation auch voraus: eine umfassende gesellschaftliche demokratisierung (nicht nur eine installierte „demokratie“), säkularisierung inkl. der entfernung der scharia aus politik und recht, restrukturierung der ökonomie, im mittleren osten allgemein eine föderalisierung statt nationalisierung, sowie die „totale gleichberechtigung“, also die abschaffung der geschlechterapartheid, die derzeit noch durch die kulturalisierung der linken, grünen, europäer etc. gedeckt wird.
oder einfacher ausgedrückt: für osten-sacken ist die mission voraussichtlich erfüllt, wenn „wir alle zusammen nach teheran in die disco gehen können“ oder der „inter city von tel aviv nach teheran“ ohne passkontrolle fahren kann.

doch davon sind „wir“ noch weit entfernt. yossi melman von der israelischen tageszeitung „haaretz“ faßt zusammen:
das atomprogramm mit dem ziel, nukleare waffen zu erhalten, begann bereits vor rund 20 jahren unter khomeni. sämtliche geheimdienste stimmen darüber ein, daß dieses ziel in der näheren zukunft erreicht wird. die prognosen sind sich uneinig, wann zwischen 2009-2013 das passieren wird.
ohne schmerzhafte sanktionen wird die entwicklung weitergehen und für israel eine existenzielle entscheidung erzwungen, die letztlich zu „miliatry action“ führen wird.
melman geht davon aus, daß es so kommen wird, da der united nations security council nichts zustandebringt, solange china und russland blockieren und die eu jedes investment unterbinden müsste (also weder import von öl und gas, noch export von high-tech), während die schweiz und österreich im gegenteil jüngst neue milliarden investierten.

chameni_in_action

während der „islamischen revolution“ sind zehntausende menschen zu tode gekommen.
das diplomatische appeasement nimmt der iran gerne entgegen, ahmadinedschads regelmäßige prophezeiungen verhallen dabei meist ohne wirkung, so soll er gesagt haben: „usa und großbritannien haben vielleicht den letzten weltkrieg gewonnen, wir gewinnen den nächsten“.

der iran liefert waffen an die hamas und die hizbollah. letztere, in deutschland nicht als terroristische vereinigung gehandelt, hat sich öffentlich geweigert, dem terror abzuschwören, selbst nachdem israel den letzten zipfel des libanons geräumt hatte. auch sie, die „partei gottes“, strebt einen „islamischen gottesstaat nach iranischem vorbild“ an. für den iran ist sie als auftragsmörder unterwegs: 1985 in paris (30 menschen getötet), 1992 der anschlag auf vier kurdische exilpolitiker in berlin, 89 tote in buenos aires.

hizberlin

matthias küntzel zählt einige vereine auf, die über direkte verbindungen zur hizbollah verfügen und in deutschland ungehindert agieren, etwa das „imam-mahdi-zentrum“ in münster oder den vom steuerzahler geförderten verein „waisenkinder libanon“, der zur „al-shahid association“ gehört und für sie geld sammelt. die association kümmert sich um die stolzen hinterbliebenen in märtyrerfamilien.
die hizbollah unterhält auch eine art eigenes kleines „außenministerium“, als würde die demokratisch legitimierte regierung libanons gar nicht existieren. solidarische genossen wie von der linkspartei oder auch deutsche handelsdelegationen kommen da öfters zum besuch vorbei.
auch der hizbollah-eigene propagandasender „al-manar“ (dt.: „leuchtturm“) ist frei empfangbar.
der „göttliche sieg“ der hizbollah während der militärischen auseinandersetzung mit israel 2006 verhalf ihr zu zusätzlicher popularität, über die ursprünglich schiitische zielgruppe hinaus.
selbst die bundesregierung kann unter den fans innerhalb ihres zuständigkeitsbereichs eine derzeit stattfindende „radikalisierung nicht ausschließen“. anfang des jahres gab es mehrere terrorwarnungen gegen die berliner jüdische gemeinde.

auf der bühne gedanken gemacht haben sich einzelne auch darüber, ob das von einer haarsträubenden interpretation des islam geprägte regime des iran, das an die baldige wiederkehr des 12. imams glaubt, selbst suizidal ist, also in vollkommener unzurechnungsfähigkeit bereit ist, das eigene und das leben der iranischen bevölkerung aufs spiel zu setzen oder zu opfern. fest stand allerdings für alle, daß es die iraner nicht sind. (über die dissidenz vieler iranerInnen berichtet auch die aktuelle ausgabe der jungle world ausführlich, die auf der konferenz kostenlos auslag)
obwohl es auch kurzfristig eher unangenehme stellungnahmen dazu gab, ob die iranische bevölkerung sich dadurch unterscheidet, daß sie eben nicht als geschlossene volksgemeinschaft wie in hitlerdeutschland hinter ihrem regime steht oder ob für eine hoch-hypothetische zeit nach dem klerikalfaschistischen regime aus der bevölkerung nicht auch mit starken regressiven tendenzen zurück zum gottesstaat zu rechnen wäre.

iranprotest

homogen ist auch nicht der widerstand der (exil-)iraner. unter applaus distanzierte sich z.b. javad asadian, schriftsteller und dichter, mitglied der exil-iranischen p.e.n., ausdrücklich von der auch dort weitverbreiteten antiimperialistischen und antiamerikanischen attitüde, die so täte, als wäre amerika das einzige „imperialistische“ land, dabei wären deutschland, schweiz, österreich, venezuela und im prinzip sämtliche staaten genauso von ihren wirtschaftlichen und strategischen interessen geleitet.
auch sei unter vielen nicht die bereitschaft da, sich ideologisch erneut einem anderen totalitarismus zu unterwerfen, etwa einem sozialistischen.
kayvan kaboli von der „green party of iran“ hingegen verteidigte ein möglichst breites bündnis der gegner des iranischen regimes. der widerstand könne es sich nicht leisten, wegen langfristiger ideologischer differenzen das gemeinsame nahziel zu gefährden.
eine diskussion, die den meisten im publikum exemplarisch und bekannt vorkommen dürfte.

jedenfalls – ob das iranische regime nun suizidal ist oder nicht: es wäre ihm auch so gelungen, eine religion mit ca. 1,3 milliarden anhängern für ihre apokalyptischen zwecke zu „kidnappen“. die bewaffnung des irans würde ein nukleares wettrüsten in der region entfachen, die unterstützung für terrororganisationen würde beträchtlich zunehmen, der friedensprozess im nahen osten würde endgültig kollabieren und mit ihren ölpreisen könnte der iran als weiteres druckmittel die sich davon abhängig machende westliche ökonomie erpressen.

viele, darunter auch der äußerst sympathische saul singer, redakteur der „jerusalem post“, hofften darauf, daß weitreichende sanktionen den iran immer noch stoppen könnten. so auch matthias küntzel, der betonte, daß die deutsche firma siemens seit gut 140 jahren im iran aktiv ist. seit 40 jahren ist deutschland der wichtigste handelspartner des iran. marktführerpositionen halten neben siemens auch konzerne wie krupp oder daimler inne.

siemensschnaeppchen

es besteht ein jährliches handelsaufkommen von 5 milliarden euro, erwirtschaftet durch 1700 deutsche unternehmen.
die deutsch-iranische handelskammer verkündet stolz, daß 75% aller iranischen betriebe mit deutscher technik ausgestattet seien. dadurch bestünde eine gewisse abhängigkeit von der technik.
deutschland hätte nach den vernichtungsdrohungen ahmadinedschads gegenüber israel die verbindungen zum iran abbrechen sollen. stattdessen besteht bis heute rückendeckung für den export.
„leider“ hätte sich vor allem die rot-grüne regierung als bremser für ein politisches signal erwiesen, ein solches habe nie stattgefunden.
auch unter merkel gibt es staatliche bürgschaften für den iran. das wirtschaftsministerium verteilt broschüren über „exportoffensiven“ in den iran, die trotz „schwieriger umstände“ „langfristig gute aussichten“ auf erfolg hätten.
ferner erhält der iran entwicklungshilfe. und es gibt regelmäßig deutsche regierungspavillons auf iranischen industriemessen.

brown (gb) und sarkozy (frankreich) haben kürzlich den boykott einer speziellen art von hightech (für gasverflüssigungsanlagen) beschlossen, die für den iran elementar wäre. die produkte, die diese länder nicht ausliefern dürfen, möchte jetzt geschäftig das deutsche unternehmen linde ag exportieren.

küntzel ruft dazu auf, durch zivilen ungehorsam und zusammenarbeit mit der oft wacheren internationalen presse insbesondere firmen, die bereits vom holocaust profitierten, öffentlich dafür an den pranger zu stellen, nochmals an einem angedrohten holocaust profitieren zu wollen.

deutschland würden bei konsequenten eu-sanktionen gegen den iran 0,5% exporteinbußen drohen, der iran allerdings betreibt 40% seines handels mit europa.
ein rückschritt für den iran wäre für das regime etwas neues, dadurch würden „widersprüche in entfaltung gebracht, die bereits längst in der gesellschaft angelegt sind“.

ansonsten nochmal zurück zum neuen antifaschismus.
während küntzel noch in nebensätzen für sich und das publikum von linken sprach, war es anderen wichtig, sich in richtung eines „liberalen antifaschismus“ zu orientieren. thomas von der osten-sacken definierte seinen „neuen antifaschismus“ gegen ende nach dem vorbild winston churchills, der für den kampf gegen nazideutschland demokraten von links bis rechts mitgenommen habe.
broder betonte, daß es die gleichen leute seien, die heute iran von der absicht eines ultimativen fegefeuers freisprachen, die vierzig jahre lang die ddr als humanitär-fortschrittliches projekt verkaufen wollten.
prof. jeffrey herf von der universität maryland befürchtet, daß viele linke der meinung sein könnten, das ende des 2. weltkrieges wäre durch die konfrontation „kommunisten gegen faschisten“ herbeigeführt worden, was nicht der fall gewesen sei.
und wünschen wollte er sich deswegen vor allem einen „new atlanticism“.
ob links oder nicht, die schritte gehen für ihn nur so:
1.) change the subject
der fokus müsste nun nach dem kollektiven schrecken über abu ghraib und guantanamo bay endlich auf den horror in iran gerichtet werden, auf die menschenrechtsverletzungen und öffentlichen hinrichtungen, die dort täglich stattfinden. diese themen müssten viel stärker in die öffentlichkeit, damit sie nicht mehr zu ignorieren sind
2.) deutsche, europäische, internationale geschäfte mit dem iran müssten thematisiert und angeprangert werden
3.) ein zusammenrücken mit der usa zugunsten einer lösung des problems

vermutlich ist es wohl tatsächlich so, daß die energie, die für antiamerikanische demonstrationen verschiedener art und „no global“/g8 etc. aufgebracht wurde und wird, längst den sturz des iranischen regimes erreicht haben könnte, wäre dies im zentrum ihres interesses gewesen.

jungle_iran

weiter geht’s in der jungle world:
kein licht im becher
niemals oben ohne
für den dialog, aber nicht mit den mullahs
die repression verhindert größere proteste

zuppi hat ebenfalls die konferenz besucht und idrawescapeplans war auch da.
und nichtidentisches hat das buch „der iran – analyse einer islamischen diktatur und ihrer europäischen förderer“ gelesen.

außerdem: wahied wahdat-hagh, demokratische partei kurdistan: „eine föderale demokratie für den iran“ (die welt)

edit: die konferenz ist teilweise hier dokumentiert.


related:
  • von mahmoud, dem messias mahdi und dem grünäugigen sufiani
  • no al-quds-tag am samstag
  • gegen den „al-quds-tag“ 2010
  • shalom libertad
  • turban und hakenkreuz

  • *name

    *e-mail

    web site

    leave a comment


    mit dem absenden dieses formulars stimmen sie der zweckmäßigen speicherung und veröffentlichung der eingegebenen daten (minus e-mail-adresse) zu.
    alle kommentare werden moderiert, zeitverzögert freigeschaltet.
    es werden keine kommerziellen seiten via comment verlinkt.